t-online.de: Faszination für den “bad boy”
(Hintergrund-Interview zur Beziehung Model Nathalie Volk/Hells Angel Timur Akbulut, 10.12.2020)
Worin besteht die Faszination für das Böse in partnerschaftlichen Zusammenhängen?
Frauen haben schon immer starke Männer bevorzugt, das ist biologisch durch den Genpool in der Frau angelegt. Das kommt von der uralten Höhlentheorie: Männer haben das Überleben gesichert, sie sind die Beschützer, haben die breiten Schultern und so weiter.
Aber warum ausgerechnet ein „Hells Angel“?
Rocker arbeiten immer mit Zurückweisung, mit Gefahr, mit der Ausstrahlung, sie seien die großen, starken Männer. Frauen erzählen dann immer, dass sie in Gegenwart solcher Männer ‚ganz Frau sein können‘. Sie fühlen sich also, pauschal gesagt, wie eine Art ‚Urweibchen‘. Mit Blick auf den Altersunterschied scheint mir auch eine Faszination für eine Figur da zu sein, die zeigt, wie es geht. Er ist die starke Figur, die das Leben kennt und sagen kann, wo es lang geht.
Sie ist 23 Jahre alt, eigentlich sollte sie doch selbst erwachsen sein und wissen, wie es läuft…
Es kann auch sein, dass sie eine Abgrenzung oder eine Art Rebellentum ausprobiert. Diese Abnabelungsprozesse kennt man aus der Pubertät, aber wenn es in dieser Phase unterdrückt wurde, kommt so etwas oft später zum Vorschein. Vielleicht konnte sie sich früher nicht so sehr abgrenzen in ihrem Elternhaus und tut das nun stellvertretend, indem sie mit ihrer Beziehung schockt und Aufmerksamkeit auf sich lenkt.
- Zusatzfrage: Ihr früherer Partner noch deutlich älter: Frank Otto, 63 Jahre alt. Auch eine Abnabelung von dieser Beziehung?
Kriminelle Vergangenheit, Totschlag, alles kein Problem?
Er ist der Krieger, der für sie tötet und in den Krieg zieht. Der große Held, der sich wehrt und die Feinde beseitigt. Das ist das Mindset, das häufig in solchen Fällen vorherrscht. Der Rocker ist in dem Fall nicht nur der Beschützer, sondern auch ein Mann, der sich nichts vorschreiben lässt und keine gesellschaftlichen Tabus akzeptiert, der sich nicht an das Gesetz hält, wenn seine Ehre gekränkt wird. Sie fühlt sich neben ihm als Verbündete oder als seine Königin und weiß, dass er sich für sie auch opfern würde.
Ist eine solche Konstellation nicht ungewöhnlich?
Nicht umsonst gibt es den ‚bad boy‘-Typus. Frauen wird eingetrichtert, böse Buben seien nicht gut für sie. Diese wilde Ausstrahlung, diese Männlichkeit, dafür muss man kein ‚Hells Angels‘-Rocker sein, aber das hat Frauen schon immer fasziniert. Das geht quer durch die Bildungsschichten durch. Früher dachte man immer, dass Akademikerinnen davor gefeit sind, aber das stimmt nicht.
Wie verliebt man sich in solch einen Mann?
Liebe auf den zweiten Blick trifft oft Männer, die keine Machos sind. Aber die Liebe auf den ersten Blick trifft oft auf solche ‚bad boys‘. Das läuft wie im Tierreich: Da geht es darum, wer die breitesten Schultern und die gefährlichste Ausstrahlung hat.
(Das Interview mit Vera Matt führte Steven Sowa)