Realationship Obsessive Compulsive Disorder (ROCD) ist eine Art Zwangserkrankung, bei welcher eine große Ambivalenz besteht, ob man in den richtigen Armen liegt. Es sind Zweifel an der Liebe zum Partner. Es ist die Angst, den Partner nicht (mehr) zu lieben, sowie Zwangsgedanken in und über die Beziehung zu haben.
Kurz vor der Hochzeit ging es los. ROCD schlug zu. In einer Praxis für Paartherapie ist das leider gar nicht selten. Zunächst denken Betroffene an Torschlusspanik. Oder an fehlende Liebe. Den falschen Partner. Weit gefehlt!
“Angst ist der Schwindel der Freiheit.”
Søren Kierkegaard
ROCD ist nicht eindeutig zu diagnostizieren, weil die Überlappungen zu anderen partnerschaftlichen Problemen recht hoch ist. Es ist eine Art Zwangserkrankung, bei welcher eine große Ambivalenz besteht, ob man in den richtigen Armen liegt. Es sind Zweifel an der Liebe zum Partner.
ROCD steht für Realationship Obsessive Compulsive Disorder. Das ist die Angst, den Partner nicht (mehr) zu lieben. Und es sind Zwangsgedanken in und über die Beziehung.
Wenn du daran leidest, bist du in bester Gesellschaft. Etwa 25 Prozent aller Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an irgendeiner Form einer Angsterkrankung.
ROCD – die Angst den Partner womöglich nicht zu lieben
Immer wieder drängen sich Fragen auf. Liebe ich meinen Partner wirklich? Und wenn ja, liebe ich ihn genug? Reichen meine Gefühle? Das ist nicht nur vor einer Hochzeit so. Es sind nagende Zweifel an der Richtigkeit der Partnerschaft und an der Liebe. Zweifel, die oft in Ängsten oder sogar in Panik enden können. Diese zweifelnden Gedanken tauchen unerwünscht wie aus heiterem Himmel auf. Dann beginnen Gedanken-Karusselle. Gleich einer inneren Wortmaschine wird Runde um Runde derselbe innere Dialog geführt.
Wann beginnt ROCD?
Die für ROCD typischen Gedanken können immer auftauchen. Doch meist stehen partnerschaftlich wichtige Ereignisse bevor:
- das Vorstellen der Freunde
- erster Kontakt mit den Eltern
- Zusammen ziehen
- Hochzeit
- Schwangerschaft und Geburt
ROCD aus heiterem Himmel?
Was die Stabilität der Partnerschaft betrifft, taucht ROCD tatsächlich grundlos auf. Doch jedes Gedanken-Karussell hat meistens klar beschreibbare Auslöser. Betrachtet man die Situationen kurz bevor das Grübeln und Zweifeln losging, findet man meist ähnliche Auslöser.
Die Anatomie der ROCD-Gedankenkreise:
Es gibt typische Auslöser. Mit ihnen beginnt alles. Du könntest ein Liebeslied hören, einen romantischen Film sehen oder z.B. einen attraktiven Menschen auf der Straße sehen.
Das würde zu einem Überfokussieren deiner Gedanken zum Thema Liebe und Partnerschaft führen. Hierbei würdest du dich wahrscheinlich mit folgenden zweifelnden Fragen beschäftigen:
- Wenn ich meinen Partner wirklich lieben würde, wie kann sich die Beziehung dann manchmal langweilig anfühlen?
- Sollte meine Beziehung nicht die ganze Zeit zu 100 Prozent leidenschaftlich sein?
- Jede Berührung und jeder Kuss sollten ein Kribbeln im Bauch hervor rufen, immer! Tun sie aber nicht.
- Würde ich meinen Partner vermissen, wenn ich mich trenne? Oder wenn er eine Weile weg wäre, würde ich ihn dann genug und gebührend vermissen?
- Woher weiß ich, dass er der Eine ist für mich?
- Sollte ich meinen Partner nicht rund um die Uhr begehren? Ist etwas falsch mit der Beziehung, wenn ich nicht immer begehre?
- Liebe ich ihn oder sie überhaupt?
- Bin ich wirklich verliebt?
- Liebe ich meinen Partner überhaupt, wenn ich andere Menschen attraktiv finde?
- Sollte meine Beziehung sich nicht so anfühlen wie die Beziehungen aus romantischen Filmen oder Büchern?
- Was, wenn ich mich in der Beziehung mal komisch oder unwohl fühle? Ist es dann aus?
- Ich stelle meine Liebe zu meinem Partner in Frage. Ist das OK?
- Ich finde meine Beziehung schwer zu führen, sollte sie nicht einfach sein, wenn ich ihn wirklich liebe?
Körperlich fühlt sich ROCD so an:
Das Beschäftigen mit diesen Gedanken löst früher oder später ängstliche Gefühle aus. Du stellst eure Liebe in Frage.
Das fühlt sich in etwa so an:
- Druck in der Brust
- Stechen in den linken Rippen
- Übelkeit
- Verspannung im Nacken
Nun machst du dir mentale Checklisten oder versicherst dich, indem du deine Beziehung mit anderen Beziehungen vergleichst, indem du versuchst deine Ängste zu verdrängen, indem du mit dir selbst und anderen diskutierst. Im Internet und in Foren suchst du nach Informationen. Du versuchst, irgendwie Kontrolle und Sicherheit zu erlangen. Das alles sind Techniken der Ablenkung. Das kann tatsächlich zu einer Erleichterung führen. Leider nur vorübergehend. Denn dann geht es von vorne los.
Um Sicherheit über ihre Gefühle zu ihrem Partner zu haben, verfügen viele Betroffene über eine Art innerer Checkliste.
Schau dir die Liste unten einmal an. Je bekannter dir diese Fragen vorkommen, umso wahrscheinlicher bist auch du nicht über deine Liebe oder deinem Partner am Zweifeln, sondern leidest an ROCD.
ROCD Checkliste:
- Testest du die Attraktivität deines Partners, indem du dir überlegst, ob du Fremde, Freunde, Expartner oder Stars attraktiver findest?
- Denkst du ständig darüber nach, dass dein Partner nicht perfekt ist? Ist seine Nase zu dick oder sind seine Augenbrauen zu breit?
- Analysierst du ständig seinen Charakter, indem du dich fragst, ob er langweilig ist oder ob er überhaupt zu dir passt? Ist er oder sie schlau genug, mag er die selben Dinge wie du?
- Hast du mit Dates aufgehört, weil keiner dir gut genug erscheint?
- Hast du Angst, den nächsten Schritt in deiner Beziehung zu gehen, weil du auf seine Fehler fokussiert bist oder darauf, was in der Beziehung fehlt?
- Fühlst du dich in deiner Beziehung zwar wohl, fragst dich aber, ob es da draußen noch jemanden gibt, der besser für dich wäre?
- Versuchst du ständig herauszufinden, was du für deinen Partner fühlst? denkst du Dinge wie: Warum vermisse ich ihn nicht, obwohl ich ihn schon einen ganze Woche nicht gesehen habe? Bin ich wirklich verliebt genug?
- Versuchst du Sicherheit in deiner Beziehung zu bekommen, indem du sie mit anderen Beziehungen vergleichst? Z.B mit der Beziehung von Freunden oder mit einer vergangenen.
- Stellst du ständig in Frage, dass du mit deinem Partner die richtige Wahl getroffen hast?
- Vergleichst du deine Beziehung mit lustigen und aufregenden Gefühlen der Vergangenheit, um herauszufinden, ob du dich bei deinem Partner lebendig fühlen kannst?
- Vermeidest du es, romantische Filme oder Serien zu schauen, die ungewollte Gedanken und Ängste in Bezug auf deine Beziehung hervorbringen könnten?
- Versuchst du ständig, Antworten und auch Sicherheit im Internet und Online-Foren zu suchen?
- Denkst du selbst beim Sex über mögliche Fehler deiner Partnerschaft nach?
Je mehr Fragen du mit „ja“ beantworten kannst, umso wahrscheinlicher ist es, dass du an ROCD leidest!
ROCD: Was kannst Du tun?
Wie jede andere Angsterkrankung auch muss ROCD vor allem von dem Betroffenen überwunden werden. Das gilt auch für die Zwangsgedanken.
Manchmal gelingt das völlig ohne Behandlung, meistens jedoch nicht zur vollen Zufriedenheit. Wenn du von deinem Partner, deinen Freunden und deiner Familie gut unterstützt wirst, kommst du selbst sehr weit. Kauf dir Bücher, informiere dich. Auch im Internet gibt es brauchbare Unterstützungen! Falls du dann an deine Grenzen stößt, kann dir ein Therapeut gut und rasch weiterhelfen. Ich staune immer wieder, wie gründlich informiert und gut vorbereitet Menschen mit einer ROCD-Erkrankung in die Therapie kommen! Das ist toll, weil wir sehr schnell effektiv arbeiten können. Auf der anderen Seite ist es traurig, weil meist ein langer Leidensweg zurückgelegt wurde. Das muss nicht sein.
In der Praxis beginnen wir damit, die Anatomie deines Problems zu erforschen. Danach ergibt sich ein individueller Ansatz. Häufig reicht ein Auflösen der Auslöser, die zu den zweifelnden Gedanken-Kreisen führten. Manchmal bedarf es wesentlich mehr. Die Art der inneren Dialoge muss verändert werden, das Suchen nach externen Stabilisatoren in interne Sicherheit verwandelt werden. Nähe-Distanz-Problematiken müssen untersucht werden. Womöglich müssen der Selbstwert und auch gemeinsame Werte in der Partnerschaft stabilisiert werden. Manchmal sind tatsächlich Zwänge aufzulösen.
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ROCD-Angst/Zweifel: 1. Hilfe
Wie kommst du aus den Gedanken-Kreisen am besten heraus? Über das bewusste Fokussieren des Bewusstseins. Die meisten Betroffenen können gute Ergebnisse erzielen, wenn sie sich immer wieder ins Hier und Jetzt befördern.
Unser Gehirn ist ein lernendes Organ. Es prägt sich das ein, womit wir uns am intensivsten Beschäftigen. Deshalb macht es Sinn, es zu trainieren.
Bei ROCD sind wir selten ganz in der Gegenwart. Deshalb ist ein erster als hilfreich erlebter Meilenstein, sich komplett in die Gegenwart zu befördern.
Das geht am leichtesten, wenn man Folgendes trainiert:
- Was sehe ich gerade? 3 Dinge entweder aussprechen oder sich innerlich vorsagen
- Welche 3 Dinge sind gerade zu hören? Wieder aussprechen oder beschreibend daran denken.
- Was genau ist auf meiner Haut zu fühlen, ebenfalls 3 Wahrnehmungen laut sagen oder sich innerlich aufzählen.
- wieder zu 1. und immer wieder von vorn.
Das sollte in Fleisch und Blut übergehen und solange trainiert werden, bis man damit die Gedanken-Karusselle übertönen kann. Das gelingt nach einer Weile, wenn man es gut genug im “grünen Bereich” trainiert. Das ROCD wird dadurch kaum weggehen, aber leichter zu händeln sein.
ROCD-Zwangsgedanken: 1. Hilfe
Zwangsgedanken drängen sich bei ROCD immer wieder auf.
Hierbei hat sich folgende Vorgehensweise als Selbsthilfe bewährt:
- Finde heraus, welcher Auslöser genau zu den Zwangsgedanken führt.
- Wie genau ist der Auslöser beschaffen? Musst du etwas sehen oder etwas hören, um in den Teufelskreis zu geraten? Mach es heller oder dunkler, ein Bild oder einen Film, größer oder kleiner. Lauter, leiser oder langsamer/schneller. Bastle solange an den Auslösern herum, bis sie keine automatische Reaktion mehr hervorrufen.
Eine andere Möglichkeit, Zwangsgedanken selbst los zu werden:
- Finde den Punkt VOR dem Point of no return. An welcher Stelle kommst du noch aus dem Teufelskreis heraus? Das geht am leichtesten, wenn du das rückwärts aufdröselst. Nach dem Motto: Was war kurz davor – wär ich da noch rausgekommen? Nein? Was war davor – wär ich da noch rausgekommen?
- Sieh das als eine Weiche: Wenn du die Stelle kennst, an der es anders als mit Zwangsgedanken hätte weitergehen können, kannst du ab hier ein neues Verhalten anstelle der Zwangsgedanken trainieren.
Man kann und sollte sich zusätzlich Hilfe holen! Mit neurowissenschaftlichen Ansätzen und auch mit Hypnose gibt es sehr effektive Ansätze.