Streit liegt in der Luft. Ärger, schlechte Laune, das Gespräch rutscht in eine bestimmte Richtung. Du spürst genau, was passiert und kannst es nicht verhindern. Doch, du kannst.
So gut wie jedes mir bekannte Paar kennt das Thema Streit und bewertet Streiten als etwas Negatives. Doch trotzdem streiten wir alle. Niemand findet das schön oder möchte öfter oder intensiver streiten.
In der Paartherapie ist Streiten deshalb immer ein Thema, das mehr oder weniger offensiv für eine Schieflage verantwortlich ist oder danach ausgebrochen ist.
Paare erzählen von den unterschiedlichsten Situationen und Themen, über die Sie streiten. Es scheint unter allen sich streitenden Paaren inhaltlich keinen über Klischees hinausgehenden gemeinsamen Nenner zu geben.
Dennoch gibt es einige Gemeinsamkeiten. Eine davon ist, dass die meisten Paare feststellen, dass sie den Einstieg in einen Streit verpasst haben. Plötzlich befinden sie sich mitten in einem Streit, den keiner wollte!
Ohne Miteinander zu sprechen oder die Ursachen der Schieflage zu erkennen, wird Streit nicht gänzlich zu vermeiden sein. Das ist die langfristige Strategie.
Bevor wir diese anwenden können, müssen wir ein wenig Beziehungs-Wetterkunde betreiben.
Jedem Unwetter gehen bestimmte Wolken und andere Phänomene voran. Das ist beim Streiten nicht anders!
Warum sollten Sie ein Streit-Warnsystem haben?
Frühe Anzeichen von Streit zu kennen macht es leichter, Streit zu vermeiden und Dinge einvernehmlich zu klären.
Später, wenn der Streit schon ausgebrochen ist, verhärten sich die Fronten beidseitig und Verletzungen, bestimmte Muster und je nach Temperament auch verschiedene Verhaltensweisen. Auch unser Denken verändert sich, ebenso die Hormonzusammensetzung. Wir sind dann rein organisch nicht sonderlich an einer Klärung interessiert, sondern haben andere Automatismen.
Auch aus diesen Gründen ist es hilfreich, den richtigen Zeitpunkt einer Deeskalation zu kennen. Paare, die dies können, haben eine Streitkompetenz entwickelt, die es möglich macht, nicht im negativen Sinne streiten zu müssen. Sie „streiten“ konstruktiv und führen zielorientierte Klärungen ihrer Konflikte herbei.
Anbahnenden Streit erkennen, bevor es zu spät ist
Es geht nicht nur darum, Streit im Keim zu erkennen und zu vermeiden, sondern darum, kleinere Kontroversen nicht eskalieren zu lassen. Das setzt wie gesagt neben kommunikativen Fähigkeiten voraus, dass Sie Streit schon im Anflug erkennen können.
Jeder Streit kommt immer zum falschen Zeitpunkt. Gedanken oder Tätigkeiten, die uns gerade eben noch wichtig waren, verschwinden, denn der Streit nimmt viel Raum ein. Ferner neigt Streit zur Eskalation.
Kurz bevor wir streiten, fühlen wir uns wie das berühmte Fass, dass zum Überlaufen gebracht wird. Oder wir werden völlig überraschend von ihm überrollt.
Manchmal ist es auch anders. Ärgernisse sammeln sich. Sie stapeln sich gewissermaßen auf.
Oft sind dies nur kleinere Bagatellen, die sich im Vorfeld ereigneten. Sie haben nichts mit unserem Partner zu tun. Doch dann fügt dieser ahnungslos den berühmten Tropfen hinzu. Unsere Betriebstemperatur steigt, wir rutschen in eine emotionale Schieflage.
Irgendwann fühlen wir uns innerlich gezwungen zu reagieren, sich Luft zu machen oder eine Grenze zu setzen. Als betroffener Partner fühlt man sich wie im falschen Film.
Je niedriger die Eskalationsstufe einer emotionalen Schieflage ist, um so einfacher gelingt es, keinen Streit entstehen zu lassen.
Die Vorphase eines Streits dauert solange, bis Ihr Leidensdruck zu groß geworden ist.
So erkennen Sie Streit, bevor er ausbricht:
Achten Sie nur auf Veränderungen. Wenn Sie und Ihr Partner immer lustige Neckereien verteilen, dann gehört das zu ihrer persönlichen Kommunikationskultur und ist kein Hinweis auf Streit. Wichtig sind nur „Temperaturstürze“.
Was können Sie beobachten?
Bei Ihrem Partner:
- 1. Kommunikative Spitzen, Seitenhiebe, subtile persönliche Angriffe, Lästereien „freundlich“, „humorvoll“ gemeinte Seitenhiebe…
Solche Äußerungen deuten an, dass es Meinungs- und Werteunterschiede gibt.
- 2. Heftige Argumentationen:
Immer dann, wenn Menschen emotional und mit heftigem Nachdruck argumentieren, deutet es darauf hin, dass es größere und tiefliegender Meinungsunterschiede in persönlich wichtigen Bereichen gibt.
- 3. Auch wachsende Ungeduld, zunehmende Reizung, wiederholtes Unterbrechen
Es kann sein, dass ihr Partner innerlich schneller Entscheidungen oder Handlungen haben will.
- 4. Aber auch das Gegenteil kannder Fall sein: Ihr Partner blockiert und verzögert etwas, was Ihnen wichtig ist.
- 5. Ständig wiederholende Zweifel bezüglich Entscheidungen, Aktivitäten oder dem Nutzen einer bestimmten Sache sind auch Vorboten eines sich anbahnenden Streits.
Was können Sie ergänzend bei sich selbst wahrnehmen?
Alles, was Sie bei Ihrem Partner beobachten können, gilt auch gleichermaßen für Sie selbst. Wenn Sie also Ungeduld fühlen oder im Begriff sind, sich heftig rechtfertigen zu wollen, ist das auch ein Zeichen, dass gleich ein Streit ausbrechen kann.
Darüber hinaus werden Sie wahrscheinlich folgendes fühlen:
- 6. In der Vorphase kurz vor einem Streit fühlen wir uns meistens emotional aufgewühlt.
- 7. Persönliche Betroffenheit
- 8. Anspannung, sich gereizt fühlen, wachsende Ungeduld
- 9. Steigende Hilflosigkeit, sich in die Enge getrieben fühlen, Aussichtslosigkeit
- 10. Aufsteigende Wut
- 11. Oft latente Unsicherheit oder Angst
Unterschiedliche Wertvorstellungen oder Überzeugungen sind keine frühen Anzeichen eines bevorstehenden Streits, sondern handfeste Gründe, sich miteinander auseinander setzen zu müssen.
Zusammenfassung:
Viele Streitereien beginnen mit ausgesprochenen Zweifeln.
Freundlich oder lustig vorgetragene Spitzen, Seitenhiebe oder gar Angriffe deuten auf unterschiedliche Wertvorstellungen hin und zeigen, dass großes Streitpotential besteht.
Ungeduld mit Drängeln, Unterbrechen oder Druck machen, können auf einen unterdrückten Konflikt hindeuten und können Zeichen eines sich anbahnenden kalten Streits sein. Dieser würde in Sabotieren, Blockieren, Aussitzen oder Verzögern münden.
Kurz vor dem Streit wird auch oft heftig und emotional argumentiert.
Bevor wir streiten verändern sich unsere Gefühle.
Sich anbahnender Streit verebbt selten von alleine, sondern staut sich an und intensiviert sich, bis er schließlich ausbricht, d.h., das Fass überläuft. Wut, Ärger, Stress, Angst und Gefühle der Hilflosigkeit sind im Vorfeld zu fühlen.
Achten Sie auf diese Warnsignale ihres Partners und darauf, wie sie selbst sich fühlen. Je früher man bemerkt, dass man sich in Richtung Streit bewegt, umso besser kann man miteinander reden, ohne sich gegenseitig in einen Streit zu verwickeln.